Sonntag, 23. November 2008

Menschenfresser on Tour?

Wieder wollen wir dem Internetpublikum, das keine Möglichkeit hatte, die Erstausgabe des "Leuchtturms" für sich zu sichern, einen Artikel präsentieren, der auch in gedruckter Form erschien. Am Wochenende der Spielausfälle sollte die Reise für den FCS eigentlich nach Mayen gehen und jeder, der als Fan Auswärtsreisen unternimmt, weiß um den Ärger und den Frust bescheid, der manchmal dabei entstehen kann, wenn man nach mehrstündiger Fahrt am Ankunftsort nicht einmal die Bahnhofstoilette benutzen darf, weil die Polizei das Meer an Fans zurückdrängt und den Weg vorgibt. Wir wollen mit dem Artikel zweifeln, Kritik üben, aber auch Denkanstöße geben, wie das Bild der "Menschenfresser on Tour" sich nicht in den Köpfen der Masse festsetzt.

Menschenfresser on Tour?
-Von Deeskalation, Polizeiaufgeboten und Auswärtsspielen

von Carsten Pilger

Samstagnachmittag, kurz nach halb zwei. Der Bahnhof liegt in einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz, der nicht einmal für die hiesige Tourismusindustrie, die aus Kaffeefahrten, Weinlesen und amerikanischen Urlaubern besteht, interessant sein könnte. Und doch herrscht eine angespannte Stimmung. Polizisten in dunkelgrünen Kampfanzügen stehen am Bahnsteig. Noch ist das Visier offen, aber das ändert sich gleich. Der Zug aus Saarbrücken erreicht sein Ziel.

Bilder wie diese kennt man bereits aus der vergangenen Saison. Sie gehören zu fast jedem Auswärtsspiel. Und hier fangen die Probleme an. Kein Spiel, vor dem sich keine Schreckensmeldung über gewaltbereite Massen wiederfinden. Vereinsvorsitzende, die den Verband unter Druck setzen wollen, indem sie aus Kostengründen mit Spielabsagen drohen. 100 Polizisten bei einem Spiel in der fünften Liga Deutschlands. Und alles nur wegen Saarbrücken. Wie kommt es dazu?

An erster Stelle sind die Spiele zu nennen, die man im Vorfeld als "Risikospiele deklariert. Traditionell gehören dazu die Spiele gegen Vereine mit einer vorhandenen, größeren Fanbasis (Homburg) oder Vereine, die als Wiederholungstäter bekannt sind. Seit dem Abstiegübernimmt der FCS diese Rolle zumeist selbst. Doch warum haben solche "Risikospiele" auch Auswirkungen auf die risikoarmen Spiele in Wirges oder Mechtersheim? Eine Seite betrifft klar die Angst der kleineren Vereine vor Sachschäden, die von einer blau-schwarzen Fanmasse verursacht könnten. Die "extremen Fans" sind etwas, das man weder aus Verbands- noch Oberligaerfahrung kennen kann. Die Folge sind Bedenken und Befürchtungen, meist willig von der Lokalpresse unterstützt. Was der Bauer nicht kennt, frisst er eben nicht.
Die andere Seite, also was erhöhte Polizeipräsenz bei Ligaspielen kurz nach "Ausschreitungen" und "Krawallen" betrifft, muss man wohl auch eher aus psychologischem Blickwinkel betrachten. Was bei Zeitungen die Auflage steigert, kann bei Polizei, Ordnungsdienst und Verein gegenseitige Schuldzuweisungen verursachen. Um beim nächsten Spiel nicht erneut den schwarzen Peter zu ziehen werden mal eben schnell Kontrollen verschärft, das Einsatzpersonal verstärkt und Stadionverbote ausgesprochen. Ob der Gegner Homburg oder Betzdorf lautet.

Für den Schutz von Familien beim Fußball mögen diese Tatsachen sogar eine beruhigende Wirkung haben. Was jedoch die Masse der Auswärtsfahrer und Kurvengeher anbelangt führen "Law and Order"-Maßnahmen zu fehlender Differenzierung und sich verfestigenden Vorurteilen gegenüber einer gesamten Fanszene.
Beispiel 1: Fans, die am Bahnhof sofort von Polizisten eingekesselt werden und den Gang zur Toilette oder zum Kiosk verwehrt bekommen. So geschehen u.a. in Pirmasens.
Beispiel 2: Baustellenzäune und unzählige Ordner behinderten in der vergangenen Saison dem Saarbrücker Anhang die Sicht auf jedem kleineren Sportplatz der Oberliga. Sowas. ist nicht nur ein Ärgernis während des Spiels, sondern auch ein zusätzlicher Kostenfaktor.

Dass solche teilweise menschenunwürdige Zustände nicht als Unrecht wahrgenommen werden und zumeist von Vereinsoberen befürwortet werden, liegt an der Sensibilisierung des Saarbrücker Anhangs als Schlägertruppe durch die Presse und vergangenen Vorfällen, die ein solches Bild unterstützen.
Um hier entgegenzuwirken und, vor allem auswärts, für bessere Verhältnisse zu sorgen, muss endlich der Verein auch im Gespräch mit Polizei und Verband die Seite der Fans unterstützen. Fanauschuss, Fanbeauftragte und Fanprojekt wiederum müssen als Vertretung der Basis den Verein über Belange und Probleme der Fans aufklären. Dies erfordert ein Entgegenkommen beider Seiten was Rechte der Fans und Repräsentation des Vereins anbelangt. Eine Vertretung dieser Interessen alleine durch Fanausschuss, Fanbeauftragte oder Fanprojekt im Dialog mit der Polizei reicht nicht aus.

Auch muss die Fanvertretung und der Verein zusammen den Kontakt zur Presse suchen, um eine Aufklärung zu forcieren, die einer weiteren Verbreitung von Stereotypen entgegenwirkt. Der Verein muss desweiteren auch den Fans den Rücken stärken, indem er Beschlüsse und öffentliche Gegendarstellungen des Fanauschusses mitträgt und unterstützt.
Zuletzt muss über den Verein der Kontakt zu anderen Oberligisten in dem Sinne intensiviert werden, dass offen über Sinn und Zweckmäßigkeit von Sicherheitsmaßnahmen und Ordneraufgebot diskutiert werden kann. Dass eine reine Bekanntgabe der "erlaubten Fanutensilien" wie zu GG-Zeiten diesen Anforderungen nicht gerecht werden kann, versteht sich von selbst.

Die Realität auf den Sportplätzen der Oberliga ist trist in den Augen der aktiven Fans. Mit dem Neuanfang in der Fanarbeit des FCS wird sich daran sicherlich nur von einer Seite etwas ändern, zu versteift ist das Denken von Presse, Polizei und Vereinen. Gelingt es aber, den FCS für Faninteressen zu sensibilisieren und die eigene Anhängerschaft aufzuklären, könnte man die Probleme auch endlich extern anpacken. Genug Angst und Respekt vor dem FCS ist schließlich überall vorhanden.

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