Der Leuchtturm wäre nicht der Leuchtturm, wenn er sich dem selbstkritischen, wenn auch humorvollen Blick in die Fanszene des 1. FC Saarbrücken verweigern würde. In der dritten Ausgabe des Fanmagazins erschien so der erste Teil eines Versuchs, die bunten Gestalten, die sich im Ludwigspark tummeln, in Worte zu fassen. Die Fortsetzung wird es in Ausgabe Nr. 4 geben.
von Carsten Pilger
Im Jahre 2003 erschien das Fanbuch "100 Jahre 1. FC Saarbrücken", welches wohl tiefergehende Erkenntnisse über den FCS-Kosmos lieferte als jede bisherige offizielle Vereinschronik. Werner Dewerth versuchte sich damals erstmals an einer Typologie der FCS-Fans, die ja im Grunde nicht verschiedener sein könnten. Sechs Jahre danach bin ich auf meiner Reise durch das Dickicht des Ludwigsparks auf viele verschiedene Fanarten und -typen gestoßen und möchte an dieser Stelle eine Skizze meiner Beobachtungen liefern.
Der manische Optimist:
Engagement, Zuversicht und immer ein Lächeln auf den Lippen tragend geht er zu Werke, wenn er im Stadion seine Kehle zum Glühen bringt oder einen Kegelabend für seinen Fanclub bis ins Detail plant. Für ihn hat der Trainer stets recht und das Wort des Präsidenten ist für ihn auch auf Platz 18 unumstößliches Gesetz.
Hegt eine große Abneigung gegenüber den Überkritischen, realistischen Fans oder anderen Miesmachern. Kann sich bei anhaltender Frustration in den Manisch-Besessenen verwandeln.
Das Fangirl:
Das Fangirl sucht meist gezielt 1-2 bestimmte Spieler (ca. 20 und aus der FCS-Jugend stammend) aus und erklärt diese zu ihrem Lebensmittelpunkt. Objekt der Begierde sind erst Autogramme und Bilder, das ständige Betteln um ein Trikot nach Spielende (oder um das Trainingsshirt nach einer Übungseinheit) dann der Kontakt übers Internet, die private Handynummer und und und...
Auch männliche Exemplare des Fangirls wurden bereits gesichtet.
Der Zweitfan:
Eigentlich ist er Anhänger eines beliebigen Erstligisten und findet nur ins Stadion, weil ihm die Fahrt nach Kaiserslautern zu weit ist, wo er doch einmal hautnahen Fußball erleben will. Nach manch gezeigter Leistung ist er desillusioniert, was sein fußballerisches Verständnis von der hohen Kunst des Spiels angeht, auf Dauer ist aber eine Entwicklung zu einem anderen Fantypus möglich. Oder er fährt irgendwann doch zum FCK.
Der verbitterte Nostalgiker:
Hat noch die Ausläufer erfolgreicher FCS-Zeiten miterlebt und muss nun Unterklassigkeit und neuzeitliche Phänomene wie Ultra' und Internet miterleben. Letzteres nutzt er selbst gerne um seinem Unmut freien Lauf zu lassen und beschwört dort "wie geil" es früher doch war. Leicht masochistische Züge lassen seine stete Anwesenheit beim FCS und seine oft wiederholten, nie umgesetzten Drohungen a la "Isch gehn die nimmé gugge" erkennen.
Der Sänger:
Er verbringt das Spiel damit zu singen, tanzen, klatschen und Fahnen zu schwenken. Ein maues Spielniveau stört ihn nicht, da er seltener als andere Fantypen das Spiel selbst verfolgt, allerdings nimmt er seinen stimmungsgebenden Anspruch ernst und kann bei einer Niederlage gegen den Erzrivalen ins Pöbeln übergehen, was ihn wieder deutlich zu allen anderen Fantypen hinzurechnet. Er wird häufiger im E2 angetroffen, ist meist mit dem Überkritischen oder dem Manisch-Bessenen verwandt.
Der Tribünenpöbler:
Sein Lebenselixier ist die Erniedrigung anderer. Um zu diesem Ziel zu gelangen positioniert er sich möglichst nahe zum Spielertunnel, meist auf der Vortribüne. Sein Einfallsreichtum an beleidigendem Vokabular scheint schier unerschöpflich, weiß so mancher Spieler/Trainer/Schiedsrichter zu berichten und auch ihr Einfluss auf das Spielgeschehen ist nicht zu bestreiten. Die im Privatleben meist ruhigen und gehorsamen Ehemänner, die im Stadion zum Tribünenpöbler avancieren, tun ihrer Gesundheit etwas Gutes: sie schreien sich ihren Frust von der Seele.
Der Überkritische:
Er wittert überall Intrige, Komplott und Verrat, erkennt in allem Positivem noch den kleinsten Makel und wartet sehnsüchtig auf jede MGV. Eigentlich nur aufgrund vergangener Jahre des Misserfolgs und der Vetternwirtschaft verbittert sieht man ihn oft kritische Spruchbänder aufhängen. Manche von ihnen leben ihre soziopathische Ader aus, indem sie kritische Fanmagazine schreiben. Der direkte Gegenspieler des Überkritischen ist der manische Optimist.
Der Sammler:
Er verleiht dem Besuch eines Spiels kultischen Charakter, indem er immer ein Mitbringsel ergattern muss, sei es die Stadionzeitung oder das Trikot eines Spielers. Besonders junge Exemplare, oft mit den Youtube-Freaks identisch, trifft man im E2-Block an, wo sie jeden zweiten Samstag Unmengen an Aufklebern erwerben. Wer unter den jungen Aufklebersammlern die meisten verschiedenen Motive vorzeigen kann, gilt als der Sammlerkönig. Vom Sänger werden sie meist argwöhnisch beobachtet, vergessen sie vor lauter Sammelwut doch am Ende das Wesentliche: das Anfeuern der Mannschaft.
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