Dienstag, 10. August 2010

FCS-Kult 3 - Die Kult-Gesänge


Für alle, die es beim Heimspiel gegen Braunschweig verpasst haben, einen Leuchtturm für einen Euro zu kaufen, wollen wir hier nun einen Text aus der aktuellen Ausgabe veröffentlichen.
Unser Redakteur Carsten beschäftigte sich mit einem Stück Fußballkultur, das genauso zu dem Ballsport gehört wie etwa die 22 Akteure auf dem Rasen - die Fangesänge.


Wie wir in dem zweiten Teil der Kult-Reihe bereits gelernt haben, bedeutet "Kult" im eigentlichen Sinne das Anbeten eines bestimmten Objekts. Das Objekt, in unserem Falle der FCS, wird aber nicht vorwiegend durch stille Gebete oder inniges und demütiges Schweigen angebetet. Im Stadion geschieht dies vor allem mit Fangesängen, denen wir uns heute widmen wollen.

Fangesänge eroberten seit etwa den 1970er Jahren die deutschen Stadien. Dabei gab es sie in anderen Ländern schon weit vorher. Als bei der WM 1958 in Schweden enthusiastische, schwedische Zuschauer ihre Landesflagge schwenkten und dabei "Heja, Heja Sverige" sangen, während auf dem Platz ein besseres schwedisches Team die deutsche Nationalelf besiegte, wurde das als Frevelei ohnegleichen wahrgenommen. Deutschte Journalisten, vor allem noch nationalsozialistisch gesinnte, ließen sich in Kommentaren über das "mittelmäßige Volk, dem man das Schnapstrinken verbieten muss, weil es sonst zu einem Volk von maßlosen Säufern würde" aus, eine antischwedische Welle folgte. Lediglich der Kicker erkannte bereits damals, wie kleinkariert es ist, wenn man sportliches Versagen auf Anfeuerungen der Zuschauer zurückführt.

Eine Ironie der Geschichte ist vielleicht, dass einer der ersten richtigen Kult-Gesänge beim 1. FC Saarbrücken "Heja, Heja FCS!" lautete. Nach dieser Anfeuerung wurde sogar eine Vereinschronik in den 70ern benannt. Noch heute gibt es vereinzelte Versuche, ein gepflegtes "Heja, Heja FCS!" anzustimmen, aber meist bleiben diese ohne nachhaltige Wirkung.

Wie dieser Gesang seinen Ursprung bei einer anderen Mannschaft hat, so wurde in den Anfangsjahren der Fangesänge auch mehr als nur einmal kopiert. Noch heute gibt es einen Grundstock an Melodien und Satzbausteinen, bei denen einfach nur "Saarbrücken" oder "FCS" eingesetzt wird. Dazu gehören der "FC-Walzer", "Auf geht's Saarbrücken, schieß ein Tor!", "Oh FC, wir sind da...", "Wir woll'n Saarbrücken siegen seh'n!" oder das populäre "Steht auf, wenn Ihr Saarbrücker seid!". Diese Gesänge werden zwar oft gesungen, gibt es im Grunde aber fast überall so zu hören. Selbiges gilt für das "Hundelied", was sich in Saarbrücken einer Hass-Liebe erfreut und eher von Kutten-Fans, als von Ultras mitgesungen wird.

Unter diesen einheitlichen Gesängen gibt es aber auch einige, die durchaus den Witz besitzen, den vor allem der englische Fangesang kennzeichnet. Dazu gehören "Wir schlafen nicht auf Betten! Wir schlafen nicht auf Stroh! Wir schlafen auf Palletten, das ist im Saarland so!" oder "Kniet nieder, Ihr Bauern, Saarbrücken ist zu Gast!". Letzteres ist unfreiwillig komisch, da es sowohl in der Oberliga in Bad Breisig, als auch in der 2. Liga in Essen oder Duisburg Anwendung fand. Dafür erfreuen sich auch diese Gesänge wechselhafter Beliebtheit.

Oft sind es Generationswechsel oder Wechsel innerhalb der Fan-Struktur, die zum Verschwinden oder Aufkommen einzelner Gesänge beitragen. Als sich 2005 der Schritt zur Gründung der Virage Est im E-Block vollzog, taten sich viele neue Anfeuerungsrufe auf. Dabei erwiesen sich vor allem die Boys Saarbrücken als prägend und entwarfen eine Fülle von richtigen, mehrstrophigen Liedern. Was von Teilen der Fanszene als "einschläfernder Sing-Sang" verspottet wird, besitzt dabei durchaus Qualität. Mit "1. FC Saarbrücken, spürst Du unser'n Wind im Rücken..." geht ein stadionweiter Gassenhauer auf das Konto der Boys. "Oh Du schönster Club der Welt, die Liebe, die ein Leben hält..." ist dagegen wohl eine der schönsten Liebeserklärungen an Verein und Mannschaft.

Fragt jemand mich nach meinem Lieblingsgesang, so lautet die Antwort jedoch: "Aux armes!". Zwar ist es kontrovers, ob französischsprachiges Gesang-Gut einen zu großen Platz im Stadion hat, aber Tatsachen sind nun mal die Nähe zu Frankreich und die mehr als zwölfjährige Freundschaft zwischen Fans aus Saarbrücken und Nancy. Im Gegensatz zu anderen deutschen Vereinen gibt es also sehr wohl Anlass, im Wechselgesang "an die Waffen" zu fordern. Selbst Marc Lerandy stimmte "Aux armes!" nach dem Aufstieg in Bonn an, was die hohe Popularität noch einmal unterstreicht. Vielleicht sind es die Wechselgesänge, die am ehesten dem Gedanken der Anbetung entsprechen.

Von den deutschsprachigen Fangesängen sind übrigens zwei Anti-Gesänge meine Favoriten: "FKP, FCK, 05er aus Mainz, Trier und Wormatia, wir hassen Rheinland-Pfalz" und "Erich war ein Saarländer!". Nicht, dass ich Rheinland-Pfalz hassen würde (ich kenne mindestens so viele sympathische Leute von dort, wie unsympathische Saarländer) oder ich den Wiebelskircher Bergmannssohn Erich Honecker glorifizieren will. Aber es klingt einfach melodisch und hat Witz. Zwei Eigenschaften, die auf die besseren unter den Kult-Gesängen entfallen. Auch wenn sie letztlich nur das eigene Anbetungs-Objekt durch die (augendzwinkernde) Abwertung anderer unterstützen.

von Carsten Pilger

Keine Kommentare: