OFFENER BRIEF
An
Dieter Ferner
Hamburg und Saarbrücken, den 22. Januar 2012
Lieber Dieter Ferner,
als Anhänger des 1. FC Saarbrücken ist man Verdruss gewohnt. Auf kurze Phasen der Erholung folgen meist lange Passagen des Verdrusses und der Agonie. Dreieinhalb Jahre lang hatte diese leidvolle Geschichte einen schönen Aussetzer. Und das soll nun bald vorbei sein?
Seit 1963 sind wir Fans des Vereins, und stehen daher im 50. Jahr unserer Anhängerschaft. Wir erinnern uns noch gut an Ihre trefflichen Torwartjahre und damit an eine erfreuliche Zeit. Als Trainer und Sportdirektor waren Sie, mit Verlaub, sogar noch besser. Eine ungewohnte Epoche der Klarheit, Bescheidenheit und des seriösen Auftritts begann, als Sie sich im Augenblick der größten Not bereitfanden, sich des blauschwarzen Scheinriesen anzunehmen.
Sie ließen saarländische Fußballer spielen, die schon nicht mehr damit rechneten, je für die erste Mannschaft auflaufen zu dürfen. Das war ungewohnt. Und wenn Sie andere anwarben, so erschienen nicht die üblichen Verdächtigen, Abgehalfterte von Weither, die kaum mehr als eine halbgare Vergangenheit vorzuweisen hatten, sondern Fußballer mit Zukunft. Das war noch ungewohnter. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und freuten uns wie Schneekönige über die überraschenden Aufstiege, die nicht mit Geld allein bezahlt waren.
Es gab auf einmal überhaupt keinen Grund mehr, sich zu fürchten, wenn gute Spieler den Verein verließen. Mann, Zimmermann und Zeitz wollten weg, eine ganze hoch begabte Mittelachse, und jeder andere hätte den Untergang des Abendlandes beschworen. Sie nicht. Da draußen fanden sich genug Unerkannte, die für vernünftiges Geld nach Saarbrücken kamen, darunter grandiose Leute wie Marius Laux, der in Offenbach kaum gut genug zu sein schien, um auf der Bank zu sitzen, oder Ziemer, dem es in Wehen auch nicht besser ging.
Natürlich merkten wir, dass der unbedingte Wille zum Aufstieg nachließ, nachdem Sie aufgehört hatten, Trainer zu sein. Aber eine begabte und sympathische Mannschaft haben wir immer noch, wenn auch die Zahl der Gnadenbrotfußballer wieder zunahm, während die einheimischen Talente seltener wurden, ohne ganz auszusterben.
Wie dem auch sei: eine solche Reihe ungetrübter Jahre hat es ewig nicht gegeben. Wir, die treuen Fans des 1. FC Saarbrücken, wissen sehr wohl, wem wir die köstlichen Freuden des Aufschwungs verdanken, und das wird uns unvergesslich sein. Denn wir wurden nicht länger ausgelacht für unsere Zuneigung zu einer notorisch fehl gesteuerten Skandalnudel in der Hand provinzieller Profilneurotiker, denen nicht nur die Ahnung von Fußball abgeht, sondern auch die Liebe zum Sport.
Umso bitterer, dass Sie Ihre Arbeit nun nicht zu Ende führen, bis der Verein mindestens in der zweiten Liga angekommen ist, eine intakte Mannschaft besitzt und ein zeitgemäßes Stadion: für Sie ist das bitter, weil Ihr Werk nicht zu Ende geführt ist, und für uns sowieso, die wir unser Herzblut geben und unsere ohnmächtige Leidenschaft.
Sicher ist: Sie werden eine Menge Fans zurück lassen, auch wenn Ihre Rückkehr ans Ruder des Vereins ebenso unwahrscheinlich ist, wie die ins Tor. Aber wie wäre es denn als Präsident? So viel zu erkennen ist, wird Kompetenz dort dringend gebraucht.
In jedem Fall sind wir um eine Illusion ärmer, eine zarte Hoffnung, einen unverhofften Traum. Ernüchtert wünschen wir den verbliebenen Verantwortlichen eine gute Hand.
Aber wir zweifeln daran, denn es sieht beim besten Willen nicht danach aus.
Ralph Schwingel, Filmproduzent, Hamburg
Oliver Weber Hartmann, Regierungsangestellter, Saarbrücken
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