Dienstag, 25. Dezember 2012

FCS-Weihnacht Nr. 1 - Michael "Doc" Krätzer"

Es ist Weihnachten! Da lässt es sich der Leuchtturm natürlich nicht nehmen, Euch ein kleines "Geschenk" zum heiligen Fest zu präsentieren. Wie im letzten Jahr, gibt es auch 2012 die FCS-Weihnacht - diesmal allerdings in deutlich abgespeckter Form. 2011 hatten wir Euch zehn Artikel aus den Leuchtturm-Ausgaben 1 bis 9 präsentiert. In diesem Jahr gibt's heute und morgen jeweils einen Artikel aus der Jubiläumsausgabe Nr. 10. Ein Interview  mit Michael "Doc" Krätzer soll den Anfang machen:

Im Rahmen des „Blau-Schwarzen Sofas“, der neuen Veranstaltungsreihe des Fanprojekts Innwurf, die die Leuchtturm-Crew erstmals im November 2011 gestaltete, interviewten unsere Redakteure Björn „DJ Brix" Brixius und Florian Kern den Ehrengast des Abends, Michael „Doc“ Krätzer.


Leuchtturm:
Herzlich willkommen Michael Krätzer. Die wichtigste Frage wollen wir zu Beginn klären: Warum eigentlich „Doc“?

Doc:
Das habe ich schon oft erklärt. Wir haben gegen Waldhof Mannheim gespielt, das war das erste Punktspiel unter Peter Neururer. Da hatte mein Zimmernachbar Jonathan Akpoborie nach 60 Minuten Wadenkrämpfe. Ich bin zu ihm hingelaufen und versuchte ihm die Wadenkrämpfe rauszumassieren.
Währenddessen erzielte Mannheim das 0:1. Wir hatten noch 2:1 gewonnen, da stand am nächsten Tag ein Artikel in der Bild-Zeitung: „Die vier Michaels überragten“. Das waren dann Preetz (Langer), Nushöhr (Nussi), Kostner (Balu) und mich haben sie Sani getauft. Dann sagte Neururer: „Das ist ja ein scheiß Name“. Am nächsten Tag kam er ins Training und sagte „Du bist ab sofort der Doc!“, und so hat sich das dann eingebürgert. Ich habe mir das dann auch eintätowieren lassen.

Leuchtturm:
Wer sich auf 100-jahre-fcs.de Spielerprofile anschaut, sieht unter anderem den Stammverein des Spielers. Bei Michael Krätzer ist dies der TSV Güntersleben. Wo liegt das und was verbindet dich mit diesem Verein?

Doc:
In Güntersleben bin ich geboren und groß geworden. Das liegt in der Nähe von Würzburg. Der Ort hat nur 4.000 Einwohner, bringt es aber auf eine Sportanlage mit drei Rasenplätzen, zwei Tribünen, zwei Sporthallen, zwei Tennishallen, 15 Tennisplätzen und eine Minigolfanlage.

Leuchtturm:
Wie lange warst du in Güntersleben?

Doc:
Ich war bis 21 da, habe drei Jahre erste Mannschaft gespielt, zuvor seit meinem siebten Lebensjahr in der Jugend. Anfangs war ich Torwart, das wurde mir aber zu langweilig, dann kam ich ins Mittelfeld und mit 21 in den Sturm.

Leuchtturm:
Kannst du dich erinnern, wie viele Tore du für den FCS geschossen hast?

Doc:
Das weiß ich selbst nicht.

Leuchtturm:
Es waren 28 Tore. Als Stürmer hast du aber zusätzlich
etwas geschafft, was recht selten vorkommt: Es gab nämlich etwas, was du öfters hattest als ein erzieltes Tor.

Doc:
Gelbe Karten.

Leuchtturm:
Genau! Michael Krätzer hat in seiner Karriere 29 Gelbe Karten bekommen. Warum?

Doc:
Die Freundschaft mit den Schiedsrichtern habe ich heute noch. Ich habe sehr hart gespielt. Ich war hart zum Gegner, die waren auch hart zu mir – ich habe allein 18 Operationen durch Fußball hinter mir. Euer jetziger Trainer ist ein guter Freund von mir, dem hab ich hier im Stadion den Knöchel gebrochen. Anschließend bin ich nach Schalke gefahren und hab ihn besucht. 

Leuchtturm:
Stimmt es, dass du viele Gelbe Karten wegen „Zaunhochkletterns“ bekommen hast?

Doc:
Nein, nie. Da wäre ich doch gar nicht hoch gekommen!

Leuchtturm:
Ein weiterer Spitzname von dir ist „Die Grätsche“. Kann man das so stehen lassen?

Doc:
Ja, das kann man so stehen lassen.

Leuchtturm:
Eine weitere Kuriosität deiner Spielerkarriere ist die Vielzahl deiner Ein- und Auswechse-lungen. War das fehlender Kondition oder der klassischen Schule geschuldet?

Doc:
Ich bin niemand, der meutert. Fußball ist ein Mannschaftssport, das war auch immer so. Als wir zum Beispiel in der Bundesliga gespielt haben, habe ich das erste Tor in Leverkusen gemacht
 da wurde ich eingewechselt. Dann wurde ich das nächste Heimspiel eingewechselt und habe das 1:0 gegen Kaiserslautern vorbereitet. Und irgendwann habe ich gesagt: „Peter, wie sieht es denn aus?“ Er meinte: „Das brauchst du nicht zu fragen, du wirst deine Chance noch bekommen.“

Leuchtturm:
Gehen wir mal in die 90er Jahre zurück. Die Erfolgsgeschichte beginnt auch mit internationalen Spielen beim Intertoto-Cup 1991. Kannst du dich noch an irgendwelche Mannschaften erinnern?

Doc:
Ja, bei Haifa waren wir. War auch ein schönes Erlebnis. Da haben wir bei denen ein Trainingslager gemacht. Saarbrücken hat das Heimrecht verkauft an Israel, das heißt wir haben dort zwei Mal gespielt und durften dafür dort Trainingslager machen. Dann haben wir dort 5:1 gewonnen. Das Schlimmste am Trainingslager war ja, dass da gerade der Golfkrieg vorbei war
 wir hatten im neunten Stock gewohnt. Da wurden wir nachts wach, weil der Hof hell erleuchtet war. Wir fragten uns: „Was ist denn jetzt los?“  da stand dann ein Kampf-hubschrauber im Hof.


Leuchtturm:
Dann kam der Bundesliga-Aufstieg 1992, souverän in der Aufstiegsrunde gewesen. Was zeichnete das Team damals aus?

Doc:
Etwas, was ich heute in vielen Vereinen vermisse. Wir waren eine Mannschaft. Wir hatten viel privat zusammen unternommen. Wir haben damals etwas erreicht, was nur wenige wissen. Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch bekannt wurde, da wir damals nicht darüber reden durften. Als wir in der Aufstiegsrunde waren, bekamen wir drei Monate kein Geld. Damals gab es eine außerordentliche Mitgliederversammlung, auf der Donauer und Schwarzkopf gewählt wurden. Da ist unser damaliger Präsident Walter hingegangen und hat vor den ganzen Leuten gesagt: „Wir können aufsteigen, es ist alles geklärt.“ Drei Tage später schickte er Donauer und Schwarzkopf, um uns zu sagen, dass wir nur noch 60% Gehalt bekommen. Zu der Zeit hatte Peter Neururer den jungen Spielern im Team privat Geld geliehen, die hatten ja nichts. So sind wir aufgestiegen und das hat uns auch geprägt.

Leuchtturm:
Trotz grandioser Vorrunde ging es dann in der Rückrunde mies bergab. Woran lag das, war das auch dem Vorstand geschuldet?

Doc:
Nein. Das habe ich mit Peter Neururer schon oft diskutiert. Er hat da zu lange an falschen Spielern festgehalten. Da waren Spieler da, die einfach den Rest im Stich gelassen haben. Es gab da ein Spiel, gegen Köln glaube ich. Für mich wären wir da mit einem Sieg gerettet und die abgestiegen gewesen. Aber da war auch keine Mannschaft auf dem Platz, die haben mit uns Jo-jo gespielt.


Leuchtturm:
Die Negativserie war leider eine Zeit lang beispiellos, wie auch der Rekord mit den nicht erzielten Toren. Die Serie hatte später immer noch Bestand in den Medien, bis diesen  irgendwann Köln gebrochen hat. Prägt das einen auch irgendwie?

Doc:
Ich denke einfach nur an die gute Zeit. Ich nehme nur das Positive mit, das hat mir einfach Spaß gemacht. Wer hat schon die Chance, fünfeinhalb Jahre Profi zu sein, einige Leute kennen zu lernen, hier im Stadion Siege zu feiern 
 wer erlebt das?

Leuchtturm:
Du hast eben schon erwähnt, dass ihr auch abseits des Platzes viel zusammen gemacht habt. Es wurde auch gemunkelt, dass das Verhalten der Mannschaft und des Trainerteams nicht immer so professionell war.

Doc:
Wir sind immer montags zusammen weg gegangen. Zunächst sind wir in die Sauna und haben uns dann getroffen oder haben uns gleich getroffen, zusammen Tennis gespielt und so weiter. 

Leuchtturm:
Zurück zu deiner Person. Kennst du einen gewissen Herbert Hogel vom DSF?

Doc:
Nein.

Leuchtturm:
Du kannst dich auch nicht an einen Telefonscherz erinnern?

Doc:
Ich habe da bei mir auf der Seite
sowas gelesen. Da dachte ich: „Wer hat mich da eigentlich angerufen?“

Leuchtturm:
Zur Aufklärung: Damals hat ein Schulkollege von mir (Brix) in Alsting in Frankreich gewohnt und sämtliche Spieler waren im Telefonbuch gelistet, weil die alle in Frankreich wohnten. Wir dachten, dass wir einfach mal bei Michael Krätzer anrufen und ein Kollege von mir konnte den Herbert Hogel wirklich sehr gut imitieren. Natürlich haben wir uns zu dritt verkringelt und haben den guten Michael interviewt. Da waren dann auch dubiose Fragen dabei. 

Leuchtturm:
Wenn du jetzt generell an deine blau-schwarze Zeit zurück denkst: Was war der schönste und was war der schlimmste Moment?

Doc:
Der schönste Moment war der Aufstieg in die Bundesliga
als wir es endlich geschafft hatten. Der schlimmste Moment war der Abstieg, der war grausam. 

Leuchtturm:
Wir waren ja schon bei der jüngeren Vergangenheit. Wir wollen dir noch einen Kommentar zu Dieter Ferner entlocken. Er war Mitspieler von dir und hat in der jüngeren Vergangenheit den FCS von der Oberliga zurück in die Dritte Liga geführt. Was macht Dieter Ferner so erfolg-reich?

Doc:
Ich kann Dieter sehr gut leiden, wir haben ein super Verhältnis. Ich hatte ihn sogar mal kurz als Übergangstrainer als Schlappner entlassen wurde. Dieter ist etwas, was viele hier mit einer anderen Vorstellung immer vergessen: Dieter ist ein Arbeiter, aber vor allem ein ehrlicher Hund. Wenn er was sagt, dann hält er das auch. In meinen Augen hat er das geschafft, was außer Dieter wohl keiner geschafft hätte. Es waren auch andere, von der Qualifikation her schlechtere Kandidaten im Gespräch, aber zum Glück haben sie dann eben doch Dieter Ferner geholt.

Leuchtturm:
In einem Satz gesagt: Was war im Fußball früher besser und was schlechter als heute?

Doc:
Früher gab es mehr Kameradschaft, heute ist das einfach nur Abzocke.

Frage aus dem Publikum:
Wo wir gerade beim Thema Geld und Abzocke sind: Was hat man 1992/93 als Bundesliga-spieler verdient?

Doc:
Was du damals in der Bundesliga verdient hast, bekommst du heute in der Regionalliga. Wenn überhaupt.

Leuchtturm:
Zum Abschluss bedanken wir uns recht herzlich bei Michael Krätzer. Danke, dass du dich für das Interview zur Verfügung gestellt hast!


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