Sonntag, 20. Juni 2010

Leuchtturm-WM-Rundschau #4

oder "Innerer FDP-Parteitag"

Wieder sind einige Spiele vergangen, von denen einige sogar einigermaßen ansehnlich waren. Na Gott sei Dank!

Argentinien gegen Südkorea festigte einen Titelaspiranten und einen Anwärter auf die Torjägerkanone, Gonzalo Higuain. Bemerkenswert auch der vorletzte Auftritt von Raymond Domenech als Trainer der "Equipe tricolore". Ich gönne zwar dem alten Mexikaner Markus alias "textundblog" von Herzen einen verdienten 2:0-Sieg seiner Mittelamerikaner. Andererseits macht es mich als Frankreich-Sympathisant (seit der WM 1998) traurig einen kopflosen Haufen talentierter Einzelspieler unter Führung des frisurtechnischen "Mozart du foot" zu sehen. Unter Laurent Blanc und Nike als Ausrüster kann das nur besser werden.

So überraschend der erste WM-Sieg Griechenlands und Rehagels war, so will ich doch noch eine besonders ansehnliche Partie dieser WM hervorheben: Slowenien gegen die USA. Zwei Außenseiter in einer ungünstigen Konstellation, bei der erst Slowenien 2:0 in Führung geht und dann die USA ausgleichen. Vor allem der Treffer von Landon Donavan wird wohl in jedem Rückblick zu dieser Weltmeisterschaft auftauchen. Am Ende versagte eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters dann den Amerikanern einen Sieg, sodass es in Gruppe C am letzten Spieltag hochspannend werden dürfte.

Zu Schiedsrichtern und dem Deutschland-Spiel: Diesmal entschloss ich mich das Spiel, zu der für mich günstigen Anstoßzeit um halb zwei, beim "Public Viewing" anzuschauen. Natürlich alles trotz frühem Nachmittag brechend voll mit Schwarz-Rot-Gold. Auch Leuten, die mir vor kurzem noch sagten, dass sie kein Interesse an Fußball hätten, aber egal. In diesen "Fan-Arenas" herrscht eine merkwürdige, durchaus reizvolle Stimmung, die etwas von Massenhypnose hat: Die Leute schauen gemeinsam Fernsehen, verhalten sich aber nach einigen Minuten so, als wären sie im Stadion. Es werden also Aktionen beklatscht, bejubelt, betrauert und natürlich auch der Schiedsrichter beschimpft. Der hört's halt nicht.

Hauptthema beim deutschen Zuschauer war der spanische Schiedsrichter Undiano Mallenco. "Klar, ein Spanier" war als Kommentar noch harmlos. Nüchtern betrachtet bringt sich der Mann mit seinem frühen Durchgreifen selbst in Zugzwang: In den ersten zwanzig Minuten werden die Maßstäbe festgesetzt. Geschieht das mit zu vielen Karten, so sorgt man entweder für Ruhe oder eben für Platzverweise. Ganz unschuldig ist der Miroslav der Nation allerdings auch nicht: Ein Spieler, der schon früh verwarnt wird, und merkt, dass der Schiedsrichter eine strenge Linie an den Tag legt, weiß selbst, dass er sich zurückhalten muss. Und das hat Klose, der vor einer Woche laut ZDF-Reporterin Karin Müller-Hohenstein noch seinen "inneren Reichsparteitag" feierte wird wohl eher seinen inneren FDP-Parteitag gehabt haben. So der Tenor im Internet.

Zurück zum "Public Viewing". Den Kopf verrenkend auf eine Videoleinwand konnte ich mitansehen, wie kurz nach der unnötigen Gelb-Roten Karte die Serben mit 1:0 in Führung gingen. Für Deutschland ein schwerer Schlag: Stürmer weg und Gegentor kurz vor der Pause. Umso unverständlicher vielleicht die Reaktion von Jogi Löw: Keine. Meine Anmerkung, dass Deutschland faktisch ohne Stürmer spielt, also 4-5-0 spielt, wurde von meinen Mitstreitern in der "Fan-Arena" für Kopfnicken. Zur Halbzeit dann die Diskussionen: Khedira und Badstuber raus und Stürmer rein!

Denkste. Der Bundes-Jogi reagierte, indem er nicht reagierte und weiter mit dem Anfangskonzept arbeitete, was ohne Mittelstürmer weniger Sinn ergab. Immerhin gab es Chancen durch die im Mittelfeld hin- und herwechselnden Müller und Podolski, aus denen leider nichts erwuchs. Irgendwann erbarmte sich Löw, holte aber erst einmal Özil und dann Müller vom Platz. Musste man nicht verstehen. Auch nicht, dass hinter mir auf einmal eine Frau stand, deren liebreizende Stimme fast so wohlklingend wie ein 90-minütiges Vuvuzela-Konzert klang. "Warum zeigen die die Fans von den A****löchern?" oder "Ist der Schiri so ein W****er!" und "Oh, Ey!" jetzt im Minutentakt. Das Desaster kündigte sich an.

Dann ein Schrei: Elfmeter! Die Serben hatten sich, ähnlich wie gegen Ghana, dazu entschlossen, den Deutschen ein Geschenk zu machen. Ohne Not flog Nemanja Vidic wie Superman durch den Strafraum und touchierte den Ball leicht mit der Hand. Der Schiedsrichter nutzte die Chance zur Rehabilitierung bei den deutschen Fans und zeigte auf den Punkt. Doch wie es halt so ist: An manchen Tagen nutzen auch Geschenke nichts und Lukas Podolski schoss einen schwachen Ball, der pariert wurde. Die Niederlage war nicht mehr zu vermeiden, die Einwechslung von Mario Gomez zur 77. Minute wurde von einem tiefen Raunen begleitet. Leider wurde die Frau mit der Nerv-Stimme nicht leiser. Es wurde das erwartete Desaster, wie bereits 2008 im Spiel gegen Kroatien.

Serbien war nicht die bessere Mannschaft, aber selbst das hat die Niederlage nicht verhindert. Nun hat Deutschland ein Endspiel gegen Ghana. Keine unlösbare Aufgabe, es bleibt die Frage, ob nicht nach dem Australienspiel die Mannschaft zu euphorisch bejubelt wurde. Für Spötter ist so was ein gefundenes Fressen, da für die der Verweis auf die schlechten Engländer und Franzosen keine Bedeutung hat. Die haben schon mehrere spielerische FDP-Parteitage vorgelegt. Bei Deutschland muss nun mehr kommen.

Die Leuchtturm-WM-Rundschau erscheint parallel hier und auf www.ludwigspark.de.

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