Donnerstag, 17. Juni 2010

Leuchtturm-WM-Rundschau - Teil 3

oder "Spanienschreck Schweiz und Uruguay mit dem dritten Stern?"

Eine WM ohne klaren Favoriten oder doch nicht? Das "langweiligste WM-Turnier aller Zeiten"? Vielleicht ist letzteres ein wenig zu hart, da das Turnier noch lange nicht in der heißen Phase angekommen ist. Aber auf den wahren Kern in diesen Worten kommen wir heute zu sprechen.

Doch erst ein Nachklapp: Eine Beobachtung, die mir aus dem Ludwigspark und auch dem ludwigspark.de-Gästebuch hinlänglich bekannt ist, konnte ich in den Kommentaren zum vorherigen Beitrag dieser kleinen Reihe machen. Es hat sich irgendwann durchgesetzt, dass mehr über das Feiern, die Stimmung oder den "Support" diskutiert wird, als über Spielanalysen und das Sportliche. Traurig ist das nur, wenn Beiträge dann gänzlich auf den eher unwichtigen Teil, also Autokorsos nach Deutschland-Spielen, reduziert wird.

Um den Faden noch weiter aufzugreifen: Schade ist genauso, wenn dann die Argumente nicht höher als "großer Humbug", "Herr Oberleher" oder "ich hab auch gehupt" gehen. Eher öde für mich, der ja aus Kritik was mitnehmen will. Falls Video- oder Foto-Material vom letzten Autokorso nach einem FCS-Sieg über Bad Breisig oder Elversberg II vorliegt, bitte ich Herrn Edge mir das jedoch mal zuzuschicken. Würde mich auch interessieren.

Zurück nach Südafrika. Eine WM produziert auch sympathische Begegnungen wie Slowakei gegen Neuseeland, Underdogs unter sich. Da Neuseeland der Außenseiter unter diesen Mannschaften ist, rechneten viele Tippspieler mit einem Sieg der Slowaken, was auch bis zur 93. Minute der Fall gewesen wäre. Neuseeland glich aus, versaute einigen den Tipp, rettete anderen diesen und kommt so zu einem kleinen Prestigegewinn. Der späte Ausgleich täuscht aber leider nicht über die mittelmäßige Partie hinweg. Und darüber, dass beide es nun gegen Paraguay und Italien sehr schwer haben.

Todesgruppe G lieferte ein weiteres Beispiel für die Blutleere, die viele Zuschauer dem Turnier schon jetzt nachsagen: Elfenbeinküste gegen Portugal. Zwei Mannschaften, besetzt mit Topspielern aus den Ligen Europas, mit zwei Trainern, die über hohe internationale Erfahrung verfügen. Herauskommt: Kein ansehnliches Spiel für den Zuschauer. Riskante Aktionen und Vorstöße blieben im einstelligen Bereich, nur kurz vor Spielende flammte kurz der Drang zum Tor auf. Wie man dann eine Ecke in der 94. Minute kurz ausführen kann, um den Schiedsrichter seelenruhig abpfeifen zu lassen, bleibt das Geheimnis der Ivorer.

Am Dienstagabend folgte das auf dem Papier wohl eindeutigste Spiel der WM: Brasilien gegen Nordkorea. Der Altmeister, der unter Dunga "zu deutsch" spielt, gegen den Underdog ohne Sympathien, der auf eingekaufte chinesische Claquere im Stadion setzt. Zur Halbzeit stand es dann 0:0 und es war zum Verzweifeln, als dann Maicon, eigentlich Außenverteidiger, an der Strafraumkannte entlang lief und aus spitzem Winkel den Ball versenkte. Ein Tor, wie es nur Brasilien zum Auftakt schießen konnte. Elano besiegelte scheinbar mit einem unspektakulären Treffer den Sieg, als plötzlich Nordkorea den Anschlusstreffer erzielte und aufspielte wie zuletzt bei der WM 1966. Die "Sportroboter" damals waren allerdings treffsicherer, trotz Achtungserfolg keine Punkte für Nordkorea.

Eine weitere, undurchsichtige Partie, gab es Mittwoch: Honduras gegen Chile. Die Begegnung endete zwar nur mit 1:0 für die Chilenen, dafür wusste die Mannschaft aus Südamerika um den Leverkusener Arturo Vidal spielerisch absolut zu überzeugen und erspielte sich noch eine Reihe weiterer Chancen. Bei der bisherigen Leistung aller Teams vielleicht ein Kandidat für die Überraschung des Turniers. Wenn man sich in der schwierigen Gruppe H durchsetzt.

Wie vorsichtig diese verkappte Todesgruppe zu genießen ist, zeigten die Schweizer gegen das favorisierte Spanien. Mit 1:0 gewann die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld, der schon als Vereinstrainer mit Vorliebe spanischen Vereinsmannschaften die Grenzen aufzeigte. Spanien hatte zwar mehr vom Spiel und auch ein Übergewicht an Chancen, schaffte es aber schlicht nicht, den Ball über die Linie zu bringen. Die seit Jahren starken Schweizer werden mit der ersten Überraschung des Turniers belohnt, Spanien bedient den Fluch der Europameister. Letztmals waren es die Deutschen, die nach dem EM-Gewinn 1972 auch anschließend die WM 1974 gewinnen konnten. Der Vorgänger Spaniens, Griechenland, nahm 2006 überhaupt nicht an der WM-Endrunde teil. Ich spare die Witze über die Finanzkrise an dieser Stelle mal aus.

Als letzte Partie der WM-Schau haben wir Uruguay gegen Südafrika, was mir persönlich sehr leid tut, da die "Bafana Bafana" wohl als erster WM-Gastgeber überhaupt die Vorrunde nicht überstehen wird. Mit 0:3 verlor Parreiras Mannschaft in angemessener Höhe, vom Elan des Eröffnungsspiels war wenig zu sehen. Uruguay spielte dagegen forsch und bestimmend und hatte einen überragenden Diego Forlan im Aufgebot. Traurig für den Gastgeber, aber verdient.

Und wer ist nun der WM-Favorit? Deutschland lieferte von allen Titelaspiranten den überzeugendsten und temporeichsten Auftritt ab. Argentinien, Spanien und England werden im zweiten Spiel wohl bestrebt sein, ein Ausrufezeichen zu setzen, für die beiden letztgenannten geht es zudem darum, nicht in der Vorrunde auszuscheiden. Abschreiben sollte man sie noch nicht. Einen anderen zweimaligen Weltmeister darf in den Kreis der erweiterten Favoriten aufgenommen werden: Uruguay spielte gegen Frankreich taktisch klug, gegen Südafrika überragend und besitzt mit Diego Forlan einen Stürmer, der ein heißer Anwärter auf die Torschützenkanone ist.

Immerhin wartet Uruguay auf seinen dritten Stern jetzt auch schon 60 Jahre. Vielleicht erleben wir noch die ein oder andere Überraschung bei dieser WM - und weniger Unentschieden.

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