Donnerstag, 24. Juni 2010

Leuchtturm-WM-Rundschau #5

oder “Erleichterung, auch eine von Form Jubel”

Nun also doch noch eine WM mit Toren. 40 insgesamt, seit die letzte WM-Rundschau an dieser Stelle geschrieben stand. Den größten Anteil daran haben Portugal und die Abwehr Nordkoreas, die in Zusammenarbeit ein 7:0 für den Vierten der WM 2006 zustande brachten. 1966 sprang im Viertelfinale noch eine würdevolle 3:5-Niederlage für die Nordkoreaner heraus.

Wir sind mitten in der WM angekommen! Der Punkt, an dem dieser Satz zutrifft, ist meistens gegen Ende einer Vorrunde erreicht, wenn die fußballerischen Alltagsphänomene auftreten. Irreguläre Tore, die doch zählen, zum Beispiel. Schön anzusehen war Luis Fabianos Treffer gegen die Elfenbeinküste zwar schon, aber sogar zweimal spielte die Hand mit. Ein Fall für die Diskussion über den Videobeweis.

Die Spieler bemühen sich ja regelrecht diese leidige Diskussion in Gang zu treten. Spaniens David Villa bekam von einem honduranischen Abwehrspieler auf den Fuß getreten und wischte zurück. Zwei Rote Karten, die nur von der TV-Kamera eingefangen wurden. Schwierig, schwierig, wie damit umgegangen werden soll, muss ich sagen. Fairerweise müssten nachträgliche Sperren her, andererseits verliert das Turnier schon etwas an eigentümlichen Reiz, wenn natürliche, menschliche Fehler eliminiert werden.

Eine Sache, die nie bemüht werden sollte, ist die Torkamera oder der Chip im Ball. Technischer Blödsinn, der wembleymäßige (Nicht-)Tore verhindern soll. Dass selbst der gemeine TV-Kommentator oft zu blöd ist, am Fernseher die Perspektive des Balls richtig einzuschätzen, hat die Bundesliga plus Bild-Zeitung oft bewiesen. Skeptikern sei es angeraten, zu diesem Thema die Bücher von Arnd Zeigler zu lesen. Auch die Technik hat ihre Macken. Und solange nicht die Engländer damit anfangen, passiert da auch nix.

Zu einem anderen Sorgenkind: Frankreich. Was wurde nicht alles über “La Grande Nation” geschrieben! Beleidigungen gegen den Trainer, Trainingsboykott, Rente mit 62. Ich mag die französische Nationalelf seit 1998, als sie einer arroganten brasilianischen Mannschaft im Finale die Leviten gelesen hat. Für die Mannschaft 2010 darf ich selbst als Frankreich-Sympathisant kein Mitleid übrig haben. Eine Landesauswahl ist kein Pausenhof, wo der Macker markiert werden soll und der Pausenaufsicht auf die Schuhe gespuckt wird. Das sollten die Post-2010-Nationalspieler beherzigen. Und Laurent Blanc ist zum Glück mit mehr taktischem Verständnis als Raymond Domenech gesegnet.

Die einzige Möglichkeit, sich irgendwie würdevoll aus dem Turnier zu verabschieden, wurde für die Franzosen jedoch verpasst: So hoch gegen Südafrika zu verlieren, dass der Gastgeber doch noch ins Achtelfinale kommt. So kommt es zu den Begegnungen Uruguay – Südkorea und Argentinien – Mexiko. Ich tippe in beiden Fällen auf die Südamerikaner.

Aber endlich zum Deutschland-Spiel: Gut war, dass der brasilianische Schiedsrichter Carlos Eugenio Simon (genannt “Der Sheriff”, wie die deutsche Qualitätspresse gerne betonte) eine so souveräne und gute Spielleitung ablieferte, dass sich diejenigen, die schon vorher auf dem Mann herumhackten, den Anstand besitzen sollten, sich zu entschuldigen. Oder gleich lieber über Tischtennis zu schreiben.

Die Umstellungen (Cacau für Klose, Boateng für Badstuber) waren dem Spiel der Deutschen anzumerken. In der ersten Halbzeit gelang es Ghana oft mit Kontern und Angriffen über die Seiten gefährlich an den Sechzehner vorzudringen, wo es entweder mit kurzen Flanken oder flachen Bällen probiert wurde. Das war nicht das richtige Mittel gegen die Deutsche Innenverteidigung. Die beste Chance für Ghana gab es nach einer Ecke, als nur noch Lahm auf der Linie klären konnte. Auf der Gegenseite vergab dafür Mesut Özil die beste Chance, nach feinem Pass von Cacau.

In der zweiten Hälfte nach 60 Minuten die Erlösung: 1:0 nach einem sehenswerten Weitschuss von Özil. Erlösung, nicht Jubel. Ich stand zwar, aber im Gegensatz zu den vielen um mich herum, konnte ich nicht jubeln, schreien, springen, hüpfen oder sonstwas. Erleichterung, vielleicht auch eine Form von Jubel. So ungefähr, wie wenn der FCS gegen Bad Breisig erst in 78. Minute das 1:0 nach einem Freistoß erzielt.

Ghana machte zwar weiterhin Druck, aber es blieb beim 1:0 für Deutschland. Jetzt trifft Deutschland trotz Sieg auf den vermeintlich stärkeren Gruppenzweiten der Gruppe C: England. Vermeintlich, da die Vorrundenbilanz der Briten eher mäßig ausfällt. Anderseits ist es vielleicht für den ein oder anderen zu früh, bereits im Achtelfinale den Klassiker zu bekommen. Das letzte Aufeinandertreffen bei einer WM war 1990 im Halbfinale.

Keine Kommentare: